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Schamanenhexe

und der "Weg der Gifte"

 

Giftige Pflanzen

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Giftige Pflanzen üben von jeher eine grosse Faszination auf uns Menschen aus. Ihre Farben, die Form ihrer Blätter und Früchte, sind oft ungewöhnlich und wunderschön wie zum Beispiel der rote Samenmantel der Eibe oder die glänzenden Beeren des Nachtschattens. Sie wirken anziehend und verlockend. Und dann ist da noch ihre psychoaktive Wirkung, die giftige Pflanzen trotz ihrer Gefährlichkeit zu einem bleibenden Symbol der magischen Dimension und für die Erweiterung des Bewusstseins gemacht haben.

In alten Traditionen wurden giftige Pflanzen von Schamanen und Hexen genutzt, um Trancezustände zu erreichen, Reisen zwischen den Welten zu ermöglichen oder um Visionen und tiefgreifende Einsichten zu bewirken.

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Sie werden in Verbindung gebracht mit Macht, dem Mysteriösen und der Gefahr, können aber auch geheimes Wissen, Transformation und den Zugang zu verborgenen Welten symbolisieren. Ihre Dualität - einerseits dunkel und tödlich, andererseits magisch und massgeblich - hat viele Märchentraditionen inspiriert, die auch heute noch Anziehungskraft haben.

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In der praktischen Magie finden sie noch immer Verwendung - mit gewachsener Vorsicht beim Umgang mit ihnen. Heute werden neue und subtilere Zugänge zu ihrer Energie erforscht. Es ist wichtig zu betonen, dass keine der giftigen Pflanzen, zum Verzehr geeignet ist oder auch nur mit der Haut in Berührung kommen sollte. Es wird dringend davon abgeraten, mit ihnen Salben, Öle, Tees oder Mazerate zuzubereiten. Viele der Gewächse enthalten wirkungsvolle Gifte, die schlimme Folgen haben können.

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Sich der Welt giftiger Pflanzen zu nähern bedeutet, die Lehren von Mutter Erde zu akzeptieren, etwas über Grenzen und Selbstschutz zu erfahren und Respekt und Fürsorge für das Pflanzenreich zu mobilisieren.

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Insbesondere dann, wenn die Pflanzen, mit denen wir es zu tun haben, so mächtig und heilig sind wie die Giftigen.

 

Die Schamanenhexe

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Die Schamanenhexe lebt am Waldesrand. Sie bewohnt die Grenze, den Ort, an dem das Sichtbare mit dem Unsichtbaren verflochten ist, wo Heilung durch Geschichten erfolgt und das Geschichtenerzählen wahr wird. Sie näht und stickt, hört and heilt, weiss, welche Magie zu den Wegen in die Anderswelt führt.

 

Sie studiert Kräuter und kennt ihre Stimmen, wendet sich an sie, um Rat und um Führung zu erhalten, und nutzt sie zusammen mit subtiler Heilenergie. Sie ist eine Hexe von Erde und Himmel. Sie ist vertraut mit Wurzeln, Mineralien, duftenden Blüten und Blättern, und sie weiss, wie man in der Geistwelt und in Träumen reist.

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Ihr ist klar, dass magische Kraft in jedem einzelnen Wesen wohnt und in der Verbindung mit der ungesehenen Welt.

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Sie nutzt Rituale, Zauber und heilige Praktiken, um in die Reiche des Unsichtbaren zu gelangen, wo sie mit den Geistern der Natur, der Ahnen und der Tiere interagiert. Sie ist eine Brücke zwischen den sichtbaren und den unsichtbaren Welten. Sie nimmt Dualität an und begreift die Verbundenheit aller Dinge miteinander. Die Schamanenhexe wechselt mithilfe von schamanischem Reisen - eine Methode, die das Bewusstsein verändert- zwischen den Welten hin und her. Auf diese Weise vermag sie mit Geistern zu kommunizieren, Visionen oder Botschaften zu empfangen und tiefgreifendes Wissen zu erlangen. Sie bedient sich besonderer Techniken, um eine Reise zu unternehmen und einen veränderten Bewusstseinszustand zu erreichen: Trommeln, Tanzen, rhythmisches Atmen, Chanten oder die Verwendung von Substanzen bestimmter heiliger Pflanzen.

Durch ihr Reisen in andere Welten versucht sie, für sich und die Gemeinschaften um sie herum Gleichgewicht, Harmonie und Heilung zu schaffen. Sie arbeitet für das allgemeine Gute, sucht die Wunden der Seele zu heilen und Ausgeglichenheit zwischen den Menschen und der Natur wiederherzustellen. Deshalb lebt sie am Rand, wo von alters her jedes Initiationsritual vollzogen wird. Die Übergangsriten der Jahreszeiten und die der Lebensalter werden hier gefeiert. Mit diesen Festen werden die natürlichen Kreisläufe und die Übergänge der Jahreszeiten geehrt. An Frühlings- und Herbst- Tagundnachtgleiche sowie zur Winter - und Sommersonnenwende werden Rituale gefeiert, die in manchen Traditionen als Sabbate bezeichnet werden.

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Am Sabbat verbindet sich die Schamanenhexe mit der einzigartigen Energie der betreffenden Jahreszeit und ehrt in Harmonie mit der Natur Wachstum, Fülle, Wiedergeburt und das Abbild derselben in jeder Jahreszeit. Gleiches gilt für die wichtigen Übergänge im Leben: Jugend, Erwachsenenalter, Alter, Tod. Hier, auf der Schwelle, werden Leben und Tod gefeiert. Die Grenze wird zu einem Ort der Macht, von wo aus es möglich ist, die Mitte, im globalen Zusammenhang inklusive aller Komplexität und aller Ressourcen zu sehen.

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Die Schamanenhexe ist eine Reisende zwischen den Welten. Zugleich ist sie diejenige, deren Gespür für das Menschsein am stärksten ist: Sie führt und inspiriert und zeigt uns den Weg durch den Wald.

 

Wie man mit Giftpflanzen hantiert

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In der magischen Praxis finden giftige Pflanzen häufig Verwendung, insbesondere auf dem sogenannten «Weg der Gifte». Die Berührung mit dem Gewächs ist dabei von Respekt, Innigkeit und Bewusstsein getragen. Der erste Schritt auf dem «Weg» besteht aus Recherche und gründlichen Studieren der Pflanzen, die zu Anwendung kommen sollen.

Es ist entscheidend, die chemischen Eigenschaften, symbolischen und kulturellen Zuordnungen des Gewächses zu kennen, bevor man es nutzt.

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Wer sich intensiv mit Pflanzen, insbesondere mit giftigen beschäftigen will, kann am Anfang Meditation zu Hilfe nehmen. Such dir einen ruhigen Platz. Wenn du Glück hast und Gewächs bei einem Spaziergang begegnest, kannst du gleich damit beginnen. Nimm dir ein paar Augenblicke, um deine Gefühle aufzuspüren und zu entschleunigen. Atme tief und stell dir im Geist die Giftpflanze vor, mit der du arbeiten willst.

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Versuche, deinen Geist zu entspannen, und gestatte es der Pflanze, sich dir zu öffnen und dir ihre Botschaft mitzuteilen - oder setz dich einfach hin, lausche und lass dich ein auf die Beziehung zwischen dir und dem gewählten Gewächs. Wenn er dir passend erscheint, kannst du ihm in der Meditation eine Frage stellen und dann dein Herz öffnen, um die Information oder die Erkenntnisse, die es zu bieten hat, in Empfang nehmen. Es ist wichtig, offen und respektvoll zu bleichen und es der Pflanze zu gestatten, dass sie dich führt und unterweist. Als Abschluss deiner Meditation, kannst du dem Gewächs ein «Opfer» wie Wasser, frische Blumen oder etwas von dem du meinst, dass sie es wünscht, darbringen. Dabei spielt es keiner Rolle, ob die Pflanze real vorhanden ist oder ob du sie dir nur vorgestellt hast.

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Eine weitere Verfahrensweise beim Umgang mit Giftpflanzen ist die Beobachtung. Aus einfachem Betrachten, Zeichnen und Fotografieren beziehen wir Inspiration für den Tag. Beispielsweise könnte die Farbkombination uns in der Auswahl unserer Kleidung beeinflussen oder bei der Arbeit an einem Projekt. Oder wir fühlen uns zu künstlerischem Erkunden und zum Experimentieren mit verschiedenen Maltechniken veranlasst, um mancherlei Formen und Farben auf Papier zu bringen, auch wenn wir gar nicht wirklich malen können.

 

Die Kommunikation mit Giftpflanzen verlangt Geduld und Offenheit,

damit ihre Weisheit Zugang zu unserem Leben erhält und

unser magisches Tun bereichert.

 

Geschichten vom «Weg der Gifte»

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Giftpflanzen, erwecken Mythen and Legenden zum Leben, faszinierende Geschichten, die auf dem Weg widerhallen. Tollkirsche ebenso wie Bilsenkraut, Alraune und Stechapfel sind Bestandteile der Flugsalbe einer Hexe. Im Jahr 1960 bestrich sich Will-Erich Peuckert, damals Inhaber des Lehrstuhls für Volkskunde an der Universität Göttingen, am ganzen Körper mit einer Paste aus Tollkirsche und fiel für zwanzig Stunden in einen tiefen Schlaf. Als erwachte, berichtete er von anhaltenden Träumen und Visionen, von denen auch jene erzählen, die an Hexensabbaten teilgenommen hatten.

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Die Landbevölkerung riet davon ab, sich mit den Blüten der Tollkirsche zu schmücken, da sie Unglück bringen. Andererseits glaubte sie, dass eine Tollkirsche an der Zufahrt zu einem Haus dieses von bösen Geistern freihalte.

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Stechapfel hingegen ist berühmt für seine wunderschönen Blüten, die sich nur nachts öffnen und einen unangenehmen Geruch verströmen. Wegen seiner runden und stacheligen Früchte wird die Pflanze mancherorts als Hexengras bezeichnet. Seine Samen sind, anders als die anderen Bestandteile, von süsslichem, mehr oder weniger angenehmem Geschmack. Die Höflinge und Strassenräuber des alten Europas verabreichten ihn ihren Opfern in Getränken, um sie willenlos zu machen und ihre Geheimnisse zu erfahren.

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Mit seinen violetten, helmförmigen Blüten ist Eisenhut ebenso faszinierend. Es wird auch Wolfswurz oder Sturmhut genannt und gehört zu den Hahnenfussgewächsen. Mit seinem Gift wurden die Klingen der Schwerter eingerieben, um sie zu noch tödlicheren Waffen zu machen. Der Legend nach wuchs Eisenhut aus dem Schleim des Kerberos, des gewaltigen dreiköpfigen Hundes, den Herakles als eine seiner Aufgaben aus der Unterwelt auf die Oberwelt holte. Die Verbindung zu Wölfen rührt daher, dass das Gift der Pflanze in die Köder gemischt wurde, mit denen verhindert werden sollte, dass Wölfe Siedlungen zu nahe zu kommen. Ausserdem heisst es, dass Eisenhutpulver Werwölfe fernhält. Eisenhut steht unter Naturschutz und sollte deshalb und weil er giftig ist, nicht gesammelt werden. Eine Vergiftung kann bereits durch einen einfachen Hautkontakt mit der Blüte erfolgen. Den Kelten war Eisenhut heilig, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gott Belenus: Es hiess, nur eine Jungfrau dürfe ihn pflücken, vorausgesetzt, sie gehe dann rückwärts nach Hause.

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Die Gesetze des alten Britanniens betrachteten es als schwerwiegend, eine Eibe zu kränken als einen Menschen, da sich die Eibe nicht selbst verteidigen kann. In Irland hielt man die Eibe für den ältesten im irdischen Paradies geschaffenen Baum und glaubte, der Druide Mog Ruith habe sein Rad der Apokalypse daraus geschnitzt.

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Dies sind nur einige der Geschichten, die sich auf Giftpflanzen beziehen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass diese Pflanzen gründliches Wissen und sorgfältige, verantwortungsbewusste Handhabung erfordern.

 

Giftpflanzen werden uns auch weiterhin verzaubern und faszinieren, denn sie sind ein lebendiger Beweis für unsere Verbindung mit dem Pflanzenreich und seiner Fähigkeit, Leben, Heilung and Tod zu gewähren.

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