Cirsium Oleaceum Kohldistel
Den Schreck wegwaschen.
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Nadeln und Stacheln hast du nicht,
bunte Blüten fehl’n dir auch
kein edles Purpur im Gesicht,
bist der narr unter Disteln, ein Gauch.
Deine Blütenseele weisslich gelb und blass
Und die Wurzelfüsse sind ständig nass.
Als Schmetterlinge bunt, fliegen deine Gedanken,
deine leichten Schwebesamen kennen keine Schranken.
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Ihre jungen Blätter und Triebe machen ein angenehmes, leicht bitter schmeckendes Gemüse. Die schöne Kratzdistel sticht nicht wie ihre nahen Verwandten. Auf spitze Stacheln hat sie verzichtet.
Im sumpfigen Gelände nach dem Haus, wächst sie freudig neben Schlangenknöterich, Brennnessel und Wiesenbärenklau- das sind ebenfalls gut schmeckende Wildgemüse. – und dem Mädesüss, dessen Tee, schmerzlinderndes Aspirin ersetzt.
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Ja, die Natur hält viele gute Gaben für den Menschen bereit.
Leider hat er das meiste davon vergessen.
Oder will man er vergessen machen, da es nichts daran zu verdienen gibt?
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Die Kohldistel die vom nördlichen Europa bis nach Sibirien verbreitet ist und bis auf rund 2000 Meter Höhe hinaufwächst, muss schon lange als Wildgemüse verwendet worden sein. Der lateinische Name der Art, oleraceum bedeutet «kohlartig» und daher «essbar». Volkstümliche Benennungen wie Wiesenkohl, Slappkohl, Gemüsedistel oder englisch «cabbage thistle», deuten es an. In Westeuropa kennt man die Kohldistel kaum als Nahrungsmittel, bei den Slaven und Sibiriern ist sie jedoch sehr beliebt. In Japan und China wird sie regelrecht als Gemüse angebaut. Die Wurzeln, die im ersten Jahr angenehm zart sind, dienen als Koch- und Bachgemüse. Man kann sie auch trocknen, zermahlen und als Gemüsemehl oder zu Beimischung im Brotmehl verwenden. Die Blütenboden können geschält und wie Artischocken zubereitet werden.
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Pferdekohl oder Pferdedistel wir dieser Korbblütler auch genannt. Der Name bezieht sich auf den alten vorchristlichen Brauch, die Pflanzen nach Tierkategorien zu klassifizieren. Als Bärenpflanzen gelten die grossen, behaarten, besonders heilkräftigen Gewächse. Als Wolfspflanze, die ätzenden und giftigen. Krötenpflanzen hatten mit der Gebärmutter zu tun, Hundepflanzen waren die nutzlosen, stinkenden und als Pferdepflanzen bezeichnete man grosse, grobschlächtige Pflanzen. Gross ist diese Distel schon, aber vielleicht bezieht sich der Name darauf, weil Pferde sie gerne fressen. Sie mögen das leicht bittere und es tut ihrer Verdauung gut. Auch andere Weidetier naschen gerne die saftigen Blätter. Hier und da nannten die Bauern, die Kuhdistel oder das Kuhkraut., Milchblätter oder Schmantkraut, da man glaubte, sie rege die Milchdrüsen der Rinder an.
Die Kohldistel besiedelt vor allem feuchte schwere Böden, nasse Wiesen, Moore und Ufer. Die grossen weichen, kahlen Blätter haben höchst unterschiedliche Erscheinungen. Es ist, als spiele sie mit den Formen. Manchmal sind sie eiförmig oder elliptisch mit gesägtem Rand, manchmal schrotsägeförmig und tief fiederspaltig. Wegen der unregelmässig geschnittenen Blätter wir die Kohldistel häufig aus Schärdistel, Schärpflug oder Scherkraut genannt – von dem alten germanischen Wortstamm sceran (=schneiden, scheren).
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Von Juni bis September blüht die Pflanze. Die Blüten bestehend aus Röhrenblüten, sind weisslich gelb und verströmen einen herrlichen vanilleartigen Duft, der nicht nur die Menschennase erfreut, sondern auch Hummeln, viele schöne bunt Falter, Ohrenkneifer und andere kleine Insekten anzieht.
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Eigentlich erstaunt es, dass die Kohldistel kaum Erwähnung als Heilpflanze findet. Die Gattungsname Cirsium wird gemeinhin von griechische kirsion, «ein Mittel gegen Krampfadern» abgeleitet. Aber in der Praxis geschah das nie, denn die Wortdeutung ist falsch. In Wirklichkeit geht das Wort auf das indogermanische «sker» zurück, was «scheren» bedeutet und uns wieder zum Scherbaltt bringt. Hier und da liest man Abkochungen de Wurzel in der Volksmedizin als Mittel gegen Rheuma und Gicht Verwendung fanden. Das soll die Schmerzen lindern und die Anfälle mildern. Auch sollen die Kräuterfrauen gelegentlich heissen Tee aus den Blättern bei Verdauungsschwäche, Kopfschmerzen und Krämpfen der Muskulatur verwendet haben. Aber eigentlich hat die Volksmedizin für solche Leiden andere, wirksamere Heilkräuter zur Hand.
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In Amerika wächst die Kohldistel nicht, aber nahe verwandte Kratzdisteln – etwas C. Edulus – wurden von den Indianern häufig gegessen und kamen mit in verschiedene heilende Gebräue. Die chinesische Medizin verwendet eine nahe verwandte Art – C. Setosum – zur Stärkung des Leberfunktionkreises. Es schein, das hat seine Richtigkeit, denn alle Disteln haben eine positive Wirkung auf die Leber und die Bauchspeicheldrüse. Sie haben eine bittere Note, die anregend auf die Leber wird und, anstatt Zucker, das pankreasfreundliche Inulin enthalten.
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In Ost- und Mitteldeutschland hiess die Kohldistel oft Schreckkraut oder Schreckdistel. Sie wurde eingesetzt gegen die Folgen eines Schrecks, besonders bei kleineren Kindern, Infolge eines solchen Schrecks. Der auch durch Hexerei, falschen Lobes oder den bösen Blick ausgelöst werden konnte, kränkelten die Kleinen, wurden weinerlich, schliefen unruhig oder wurden von Ausschlägen geplagt.
«Schreck» wird heutzutage nicht mehr als Krankheitsbild anerkannt, aber in vielen Kulturen, besonders in Lateinamerika, wird es – Susto genannt – oft diagnostiziert und mit einer rituellen Waschung (limpia) vom Betroffenen entfernt. Bei den Lausitzer Wedeln baden die Mütter derart traumatischer Kinder in einer Abkochung des getrockneten Kohldistelkrauts und schütten dann das Badewasser unter den Hofholunder, der Baum der Frau Holle, zieht alles Üble und Krankhafte nach unten in die Erde und neutralisiert es. Unter dem Baum, so die alte Sage, sitzt die Hollemutter am Feuer – im Mittelalter wurdee sie zur «Grossmutter des Teufels» - und rührt ihren Kochkessel. Krankheitsdämonen und andere böse Geister fallen in den Sud und werden zerkocht.
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Auch sonst, wenn kleine Kinder unruhig waren und quengelten, badete man sie mit dem Schreckdistelkraut. Aus diesem Brauch erklären sich weiter ostdeutsche Benennungen der Pflanze. Waschblätter, Verwaschkraut, Berufskraut. Unter Berufskraut verstand man Kräuter, die gegen «Berufung» schützen, also gegen schädlichen Wortzauber. Hexerei und negative Einflüsse, die auf Neid und Missgunst zurückzuführen sind. Zur Räucherung gegen ruheloser Geister verwendete man es ebenfalls.
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«Verwaschkraut» nannten die Schlesier die Pflanze, mit der man Berufungen abwusch. Es musste genau in der Mittagsstunde, zwischen dem ersten und dem zweiten Glockenschlag, gepflückt werden. Für die indogermanischen Völker ist diese Zeitspanne – wie auch Mitternacht – eine Geisterstunde. Sie ist das «High-Noon», dass wir aus dem Western kennen. Eine Zwischenzeit, in der die Sonne kurz still steht und der Mittagsgeist erscheinen kann. Wenn in dieser magischen Zeitspanne die Kirchenglocken läuten, dann sind Hexen, böse Geister und die Zwerge, machtlos. Es ist als die beste Zeit, die Kohldistel zu pflücken.
Die Seele der Pflanzen / Wolf-Dieter Storl