Samhein
am elften Neumond nach der Wintersonnenwende
Halloween . Allerheiligen . Samhein . Hexenneujahr . St. Katharina
Öffne dich, begegne deiner Angst.
Du bist wo weit.
Die Schatten integrieren, mit den toten tanzen und der Angst begegnen. Allerheiligen ist das Neumondfest, auch Dunkelmond genannt. Jetzt ist die Zeit der Geister. Die Portale stehen offen und auch die Haustüren sollen offen sein für all die Gäste. Die gebetenen und die ungebetenen.
Es heisst im November geht der Teufel um. Es ist eine hochexplosive Zeit. Lange unter Verschluss gehaltene Konflikte explodieren jetzt. Diese Zeit ist eine harte Zerreissprobe für all die Menschen, die immer noch im Aussen Orientierung suchen.
Als ich verstanden habe, dass Menschen mich nur so behandeln können, wie sie sich im Innern fühlen, habe ich aufgehört Dinge persönlich zu nehmen.
Statt der äusseren Arbeit, musst du dich nun der inneren Arbeit zuwenden. Das geht erst, wenn all die viele Herbstarbeit abgeschossen ist.
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In dieser Zeit wurden früher die Mägde und Knechte, für die es im Winter zu wenig Arbeit gab, entlassen und ausbezahlt. Tiere, für die das Futter im Winter nicht ausreichte, wurden geschlachtet. Es hatten mehr Menschen Geld und Zeit und es war viel Nahrung da, die schnell gegessen werden musste. Deshalb fielen in diese Jahreszeit viele Familientreffen, und Erbschaftsverhandlungen statt. All die Messen und Märkte, die nun um Herbst stattfinden. Auch sie sind ein Überbleibsel, von der Zeit, in der es nicht über das ganze Jahr, fast alles im Supermarkt zu kaufen gab.
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Der „Katharinentag“ war noch vor 100 Jahren ein schulfreier Tag, an dem Alplöhne ausbezahlt wurden und Jahrmärkte stattfanden. Und es wurde das letzte Mal getanzt. „St.Katherin stellt’s tanzen ein“ - so der österreichische Volksmund. Nichts dreht mehr - das Jahresrad wird angehalten bis es zu Lichtmess beim Blasius Segen wieder angeschoben wird. Die Heilige Katharina, deren Fest am 25. November gefeiert wird, wurde der Legende nach gerädert und wird mit einem Rad und mit Schwert dargestellt – ist sie die Göttin des Lebensrades?
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Wir feiern den Beginn der Jahresnacht. Alles kehrt sich jetzt nach innen. „Die Samen gehen heim“ – Samhein. Ein grosser Schwellentag, der Übergang von Licht in die Dunkelheit. Die Schleier zur Anderswelt sind dünner und die Kommunikation mit dem Jenseits wird möglich. Angst und Unsicherheit liegen in der Luft. Dazu gehören auch Achtung und Scheu im Umgang mit den grossen Themen Tod und Ahnen. Es ist die Zeit, in der du ganz werden kannst, indem du sterben lernst. Allerheiligen lehrt dich, den Tod als Quelle der Kraft zu begreifen. Das Sterben aus dem Leben auszuklammern macht dich hart und kalt. Das Ausschliessen des Todes und des Alter aus der Gesellschaft lässt uns emotional verarmen. Mit dem Trauern zieht die Herzlichkeit wieder bei uns ein. Während du eine Nachtwanderung machst, begegnest du deinen Schatten und Ängsten. Jetzt ist die Zeit, das Sterben zu lernen, um wirklich leben zu können. Mache dir bewusst, dass immer Pflanzen und Tiere sterben müssen, damit du überlebst. Beschäftige dich mit dem Bild eines gütigen Todes.
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Wir Menschen spüren instinktiv die Verknüpfung von Tod und Sexualität – der Orgasmus wird im Französischen als „kleiner Tod“ bezeichnet: „la petit mort“. Sexualität und Tod sind verbunden mit Transformation und Auflösung. Sich verlieren im Anderen, gehört genauso dazu wie die heilige Zeugung. Neues Leben entsteht in der Auflösung im Anderen.
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Eine Zeit grosser Achtsamkeit bricht an, sorgfältig will alles geklärt werden und viele Geschichten müssen erzählt werden. Warum finden wir eigentlich alte Häuser, Burgen, Ausgrabungen, verwunschene Gärten, rostige Türen, verwitterte Schindeln und Läden so interessant? Weil alle diese Dinge uns Geschichten erzählen - weil sie Geheimnisse bergen. Ein maroder Charme berührt deine Seele. Etwas ist da, das dich ganz eigenartig still werden lässt. Alte Gesichter, in die sich ein ganzes Leben eigekerbt hat, verwitterte Mienen mit einem schiefen Lächeln und mit nur noch einem Zahn, berühren uns. Im Antlitz ganz alter Menschen, sieht man plötzlich wieder das Kind und alles, was das Leben gebracht hat: Grosse Freude, Trauer, Lachen und Weinen, Tod und Geburt, Schwangerschaften und Hoffnungen, Verlieben, Abschied nehmen und Ankommen. Gesichter die die Geschichte eines bewegten Lebens erzählen.
D‘ Haborgos
Eine Geschichte aus dem Alpenraum zur Zeitqualität des Winters. Der dunkelsten Zeit,
zwischen November und Dezember.
In der Zeit, in der es schon dunkel ist, wenn die Menschen von ihrer Arbeit nach Hause gehen, treffen Manche von uns eine schrecklich hässliche, dreckige, stinkende alte Frau. Oder ist sie verführerisch schön, lockend, begehrenswert und von praller Sinnlichkeit? Plötzlich ist sie nicht mehr sichtbar - im Nebel verschwunden. Dann ist sie wieder da, vor Kälte zitternd und mit triefenden Augen, runzlig wie ein Winterapfel und stellt sich uns in den Weg - will uns etwas geben. Mit ihrer kalten, dürren Hand greift sie nach uns und legt uns etwas in die Hand.
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Nur die Allerwenigsten bleiben stehen und lassen sich etwas geben. Die meisten lassen das Geschenk sofort wieder fallen und rennen erschreckt nach Hause, wo sie zitternd das Ende des Winters abwarten.
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Doch einige lassen die Hand geschlossen und nehmen das Gegebene mit nach Hause, schauen in ihre Hand und sehen den Klumpen Dreck. Doch im Schein der warmen Stube, wird er zu Gold.
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Der eigene Dreck mit „herein“ genommen, verwandelt sich in pures Gold. Es wird zum Weihnachtgeschenk.
Ein wunderbares Bitterwurz-Likörrezept für die Zeit zwischen den Jahren, damit du all das Bittere, das du erlebt, gesehen, gespürt, verloren zu verdauen hast, leichter verarbeiten kannst.
Sheela na Gig ist die irisch-keltische Göttin des Schutzes, der Geburt, des Todes, der Fruchtbarkeit, der Lebensfreude und der weiblichen Kraft. Dargestellt wird sie meist als nackte, eher magere alte Frau. Mit weit geöffneten Augen, lächelt sie den Betrachter an, während sie ihre Beine spreizt und ihre offene Vulva zeigt. In Form von Steinritzungen, Holzschnitten oder Reliefs finden sich die Abbildungen in Irland, Schottland, England und dem europäischen Festland. Wie tief verwurzelt der Glaube an die Kraft der Göttin war, zeigt sich daran, dass Sheela na Gig Darstellungen sogar an Klostertüren und Kirchenaussenwänden gefunden wurden. Als Schutz vor dem Bösen und dem Tod.
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Mit der ZurSchauStellung der Vulva hält die Göttin den dunklen Mächten des Todes, das Leben entgegen. Die stärkste Symbolik, die mit der Vulva verknüpft ist, findet sich in den meisten ursprünglichen Kulturen - die Geburt durch den Schoss und die Wiederaufnahme nach dem Vergehen in den Schoss der Natur. Es ist ein mächtiges Symbol, das Leben und Tod gleichermassen in sich trägt.
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Im Laufe der Christianisierung wurde die Bedeutung Sheela na Gig jedoch pervertiert und die Kirche sah in ihr den Inbegriff der fleischlichen Sünde. Damit einher ging die Zerstörung vieler Darstellungen und Abbildungen der Göttin.
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Ihr Geist lebt jedoch in uns Frauen weiter und wir können von ihrer Urkraft zehren und von ihrem Vorbild lernen, unseren Schoss als magischen Ort zu sehen. Weg von den negativen Gefühlen und Vorstellungen, mit denen das weibliche Geschlechtsorgan belegt ist. Sei es Angst, Scham, das Bedürfnis etwas verbergen zu müssen oder auch Pornografie. Hin zur selbstverständlichen Annahme des eigenen Körpers. Hin zu Freude und Lust.
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Indem sich die Göttin in ihrer Geste weit öffnet, bietet sie den Frauen Zugang zu ihrem Schoss, in dem sie das Wissen um die Geheimnisse und den Ursprung des Lebens trägt. Jede Frau trägt dies in sich und so ist die Einladung Sheela na Gigs eine Aufforderung an uns Frauen, ihr Inneres, ihr Intimes zu erkunden.
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Doch wie bereits erwähnt, vereinen sich Leben und Tod in der Haltung der Göttin. Ihre entgegengestreckte Vulva kann auch bedrohlich, verschlingend wirken. Besonders für Männer ist dies mit zwiespältigen Gefühlen verbunden. Letztendlich liegt es im Auge des Betrachters oder der Betrachterin, wie dieses Rätsel gelöst wird.
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Sheela na Gig hilft dir, deinem intuitiven Wissen zu vertrauen
und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
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Sie fordert dich auf, endlich eins mit dir selbst zu sein
und alle deine Kräfte zu entfalten.
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Sie hat nicht nur eine weit offene Vulva. Auf vielen Darstellungen sind auch ihre grossen offenen Augen magisch anziehend. Ihr bleibt nichts verborgen. Ein Blick in ihre Augen lässt uns erkennen, wer wir wirklich sind.
Welche Verhaltensweisen, Zwänge und Konventionen behindern dein Wachstum?
Was brauchst du wirklich?
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Am Ende der Wechseljahre wartet Sheela na Gig auf dich. Sie fordert dich auf, dich in den Kreislauf des Lebens einzureihen und alles sterben zu lassen, was nicht mehr förderlich ist. Als Lohn verspricht sie dir Energie, Kraft, Wildheit und Selbstachtung. Lebenslust, unverschämte Lust, Ekstase und pure Dynamik. Bist du bereit, den Weg, in die eigenen Tiefen zu gehen? Mit dem Verlust deiner Fruchtbarkeit bekommst du die Freiheit, eine ganz neue, dirselbst entsprechende Sexualität zu entwickeln. Jetzt ist nicht mehr Zeit um zu zeugen, nicht mehr die Zeit zu sähen oder zu pflegen.
Literaturnachweis
Wildes Weiber Wissen / Katharina Waibel